Das "Wahrzeichen"



Der Bau hoher Schornsteine war typisch für viele europäische Länder in den 1960er und 1970er Jahren. Die Investition in einen hohen Schornstein war für Kohlekraftwerke billiger als die Installation einer Rauchgasentschwefelungsanlage.


Hohe Schornsteine sind Zeichen für ein nicht vorhandenes ganzheitliches Umweltverständnis zu Zeiten ihrer Erbauung. Sie konnten zwar die Luftbelastung vor Ort reduzieren, da die Schadstoffe dadurch jedoch höher aufstiegen und länger in der Atmosphäre blieben, wurde dies mit einer deutlichen Zunahme der Luftbelastung in weit von Industriezentren entfernt gelegenen Regionen erkauft.


Darüber hinaus trat ein neues Problem auf: die Stickstoff- und Schwefeloxide aus den Abgasen lösten sich im Regenwasser und verursachten den “Sauren Regen”, der die Böden,  Flüsse, Seen, Pflanzen und Gebäude schädigte und zu einem länderübergreifenden Umweltproblem wurde.


In Karl-Marx-Stadt setzten die Verantwortlichen noch in den 1980er Jahren auf einen hohen Schornstein als vermeintlichen Problemlöser: im November 1986 entwichen dem 302 m hohen Schornstein des Heizkraftwerkes Nord II die ersten Abgase. Eine Rauchgasentschwefelungsanlage ging erst im Jahr 1996 in Betrieb.


Die Diskussion um die farbliche Gestaltung des Schornsteins lenkt vom Wesentlichen ab: der Schornstein ist ein Symbol für eine gescheiterte Luftreinhaltepolitik im 20. Jahrhundert und für das Festhalten am fossilen Zeitalter im 21. Jahrhundert.

 

In Chemnitz ist das Festhalten am fossilen Zeitalter mit hohen Kohlendioxid-Emissionen verbunden, weil das Heizkraftwerk

  • im Wesentlichen mit Braunkohle betrieben wird und
  • nicht die Effizienz aufweist, die der Kraft-Wärme-Kopplung unterstellt wird.